Gespräche

1  Der Sinn und Zweck von BG

1 Der Sinn und Zweck von BG

2  Das System Kanti

2 Das System Kanti

3  Stundenplan

3 Stundenplan

4  Noten

4 Noten

5  Raumordnung

5 Raumordnung

6  Zugänglichkeit von Material und Raum

6 Zugänglichkeit von Material und Raum

7  Die Motivation-und-Talent-Schere

7 Die Motivation-und-Talent-Schere

8  Das Alter der Schüler*innen

8 Das Alter der Schüler*innen

9  Grundlagenfach Klassen 7–9

9 Grundlagenfach Klassen 7–9

10  Grundlagenfach Klassen 10–12

10 Grundlagenfach Klassen 10–12

11  Schwerpunkt-/ Ergänzungsfach

11 Schwerpunkt-/ Ergänzungsfach

12  Diskussion

12 Diskussion

9 Grundlagenfach Klassen 7–9

Wie können Freiheitsgrade im BG-Unterricht der 7.–9. Klasse Grundlagenfach aussehen?

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Erkenntnisse aus den Gesprächen

Totale Freiheit ist in diesem Alter kontraproduktiv, weil es die Schüler*innen überfordert. Ein Mass an Sicherheit durch einen klaren Aufgabenrahmen ist notwendig für Erfolgserlebnisse der jüngeren Schüler*innen. Grenzen können Orientierung und Anreiz zur Auseinandersetzung bieten. Möglichkeit zur Mitbestimmung ist dennoch wichtig, so dass individuelle Wege oder Ergebnisse möglich sind. Und so gilt es, gemäss den Fähigkeiten der Schüler*innen, die Vorgaben mit dem Spielraum auszubalancieren und sie zu motivieren, ihre Freiheiten auch zu nützen. So könnte es für die Schüler*innen z.B. verbindlich sein, eine Reihe von Methoden in einer Technik auszuführen, aber bei den Motiven und der Gewichtung der Methoden sind sie frei. Auch bei der inhaltlichen Ausrichtung des Projekts sollten die Jugendlichen beteiligt werden. Auf der Seite der Lehrperson kann Betreuung nach Bedarf (als Folge von solchen Freiheiten) zu grossem Mehraufwand führen. Schüler*innen, die sich viele Techniken noch nicht gewohnt sind, kann zu grosser Freiraum überfordern und frustrieren. Sie sprechen in diesem Alter auf das Erlernen eines Handwerks an, auf das Erwerben von Materialkenntnissen und auf gegenständliche Motive an. In Hinsicht auf spätere Projekte ist es ausserdem wertvoll, wenn sie in diesem Alter das Auge schulen, Durchhaltevermögen entwickeln und verschiedene gestalterische Herangehensweisen erlernen.

 

Kontextualisierung der Aussagen

In der Theorie habe ich keine Angaben gefunden, die auf die Bedürfnisse bestimmter Altersgruppen eingehen. Ein rein auf das Erlernen von Techniken ausgerichteter Unterricht erinnert an die weniger subjektiv orientierten Jahre des Vorkurses am Bauhaus unter Josef Albers. Der Vorkurs dauerte dort aber nur ein oder zwei Semester und war als Vorbereitung auf die Arbeit im Kunstunterricht und den Werkstätten konzipiert (vgl. Blume, 2015, S.112). Jahrelange Grundkurse, ohne dass es einmal «Hauptstücke» gibt, bezeichnet Kämpf-Jansen als irrationale Zeitverschwendung (vgl. Kämpf-Jansen, 2012, S. 266)

In «Mehr Sensibilität im Umgang mit der Natur» berichtet Julia Jaki von den Erfahrungen aus einem Forschungsprojekt mit 13–15-Jährigen. In ermutigendem Ton ist die Rede von der Sorgfalt und Wissbegierde der Beteiligten. «Andererseits zeigt sich, dass jüngere Schüler oft schneller frustriert sind, wenn das Vorhaben nicht ihren Vorstellungen entsprechend läuft. […] Hier sind didaktisches Geschick und die Fähigkeit zu motivieren gefordert, um die vermeintlich hohen Hürden auf dem Weg zum Ziel abbauen zu helfen. Erreicht wird dies vor allem, indem man mit den Schülern einen Weg findet, die vielen Einzelergebnisse im komplexen Gesamtzusammenhang zu sehen und zu bewerten. Als das ‹Gesamtkonstrukt Vulkan› erst einmal verstanden war, wurde die Arbeit für viele Jungforscher deutlich leichter.» (Jaki, 2009, S. 170f) Diese Aussage scheint die niedrigere Frustrationstoleranz zu bestätigen, die in den Gesprächen zum Ausdruck kam. Dagegen hält Helga Kämpf-Jansen allerdings, «Lehrende müssen aushalten können, dass SchülerInnen mehr machen und ausprobieren wollen, als sie vielleicht selber können und wissen. […] Es muss deutlich werden, dass ästhetisches Lernen ein ernsthaftes Lernen ist und kein Bastelkurs.» (Kämpf-Jansen, 2012, S. 270)

Für ein inhaltsleeres und zeitintensives Einüben von Grundtechniken hat sie kein gutes Wort übrig: «Genau genommen ist siebzig Prozent des derzeit praktizierten Kunstunterrichts in der Schule ein einziger falsch verstandener Grundkurs, der sich selbst zum Eigentlichen erklärt hat.» (Kämpf-Jansen, 2012, S. 266). Stattdessen plädiert sie für eine Verdichtung im «Werkstattlernen», wo direkt im Rahmen inhaltlicher Thematiken experimentiert werden soll. Die Mitbestimmung der Schüler*innen am Inhalt ist für sie nicht verhandelbar. So schreibt sie in ihrer These «Sinnenreiches gegen unsinnlich Reduziertes»: «Diese Forderung ist so alt wie die ästhetische Erziehung. Folgen Kinder und Erwachsene ihren persönlichen Interessen, sind die ästhetischen Handlungsweisen nie armselig reduziert – es sei denn, einengende Familienverhältnisse und genormtes Beschäftigungsbasteln in Kindergarten und Schule haben bereits zu erheblichen Beschädigungen geführt.» (Kämpf-Jansen, 2012, S. 274) Nur so findet auch wirklich Lernen statt: «[…] nach allem, was man heute im Zusammenhang neurowissenschaftlicher und pädagogischer Forschungen weiß, wonach wirkliches Lernen nur in der Verbindung von emotionalen, kognitiven und handelnden Anteilen erfolgt und rein formales Lernen zu keinerlei Erfahrungen und Erkenntnissen führt, wäre ein Lernen für die Persönlichkeitsentwicklung des Menschen im Rahmen einer ästhetischen Bildung, in der Alltagserfahrungen, Kunsterfahrungen und Wissenschaftserfahrungen sich verknüpfen, mit Sicherheit eine zentrale Voraussetzung.» (Kämpf-Jansen, 2012, S. 267)

 

Meine Haltung

Weil ich die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Altersgruppe noch nicht einschätzen kann, kann ich zu diesem Punkt keine klare Haltung formulieren. Die Spuren, die der Primarschulunterricht an ihrer Neugierde, den gestalterischen Impulsen und der Fähigkeit, mit Freiheit umzugehen, hinterlässt, stelle ich mir sehr prägend vor. Ich stelle mir aber vor, dass auch auf dieser Stufe die Motivation und der Lernzuwachs steigt, wenn die Schüler*innen ihre Inhalte mitbestimmen, mit ihrem Leben in Verbindung bringen können und auch in der Gewichtung der Techniken Freiheiten haben.